OLG München, Urteil vom 13. August 2003 – 3 U 2888/03.

Orientierungssatz

Lässt der Verkäufer eines sog. „Halbjahreswagen“ vor der Übergabe an den Käufer bei einer Laufleistung von ca. 5.000 km den Originalmotor gegen einen aus Neuteilen hergestellten Motor austauschen, liegt kein Sachmangel i.S.d. § 459 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. vor.


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    Entscheidung des OLG München im Volltext

    I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des LG Traunstein vom 14.4.2003 wird zurückgewiesen.

    II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

    III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

    IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

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    I. Zwischen den Parteien besteht nach Abschluss eines Kaufvertrages über einen Pkw nebst Sonderausstattung und Winterreifen Streit darüber, ob der Beklagte zur Wandelung des Kaufvertrages, hilfsweise zur Minderung des Kaufpreises und Geltendmachung von Schadensersatz berechtigt ist.

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    Das LG Traunstein hat den Beklagten mit Endurteil vom 14.4.2003 zur Erfüllung des Kaufvertrages wie folgt verurteilt:

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    1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.481,10 Euro (in Worten: einunddreißigtausendvierhunderteinundachtzig 10/100 Euro) zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 29.732,88 Euro seit 16.7.2002 sowie aus weiteren je 195,08 Euro seit dem 16.9.2002, 16.10.2002, 16.11.2002, 16.12.2002, 16.1.2003, 16.2.2003 und 16.3.2003 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums am Pkw der Marke BMW, Modellbezeichnung 320 D, Fahrgestell-Nr. … und dem Satz Winterräder, Dimension 205/55/1 auf schwarzen Stahlfelgen, Reifentyp Pirelli Snowsport 210.

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    2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte seit dem 16.7.2002 in Annahmeverzug befindet.

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    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

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    Auf die tatsächlichen Feststellungen und die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.

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    Mit der dagegen eingelegten Berufung verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter und trägt zur Begründung vor:

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    Der Beklagte sei zur Wandelung des Kaufvertrages berechtigt, weil das Fahrzeug einen Mangel aufweise. Auch wenn nach den zuletzt von dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen getroffenen Feststellungen das Kfz einen gänzlich aus Neuteilen produzierten Motor enthalte, liege wegen der dadurch bedingten Wertminderung des bei einem Kilometerstand von 5.000 noch neuwertigen Fahrzeugs ein Mangel vor. Das LG habe die Rechtsprechung des BGH fehlerhaft interpretiert. Im Übrigen werde im angefochtenen Urteil auch die Aussage des Sachverständigen unzutreffend gewürdigt. Durch die Änderung der Beschaffenheit des Fahrzeugs sei der in Betracht kommende Käuferkreis auf 10-15 % geschrumpft. Der Wertverlust von 1.500 DM überschreite die Bagatellgrenze. Zu berücksichtigen sei auch, dass das Fahrzeug einen Reparaturschaden von über 5.000 Euro aufweise, dass die Weiterveräußerung wesentlich mehr Zeitaufwand für den Verkäufer mit sich bringe, der Verkäufer bei Abschluss eines Kaufvertrages darauf hinweisen müsse, dass sich in dem Fahrzeug nicht mehr der Originalmotor befinde und dass die Motornummer auf einen gebrauchten Austausch-Motor hinweise, was jeden Käufer skeptisch mache. Der Beklagte könne auch deswegen nicht mehr am Vertrag festgehalten werden, weil der Kläger den Beklagten nicht durch Übergabe entsprechender Nachweise Klarheit darüber verschafft habe, dass ein Motor aus Originalteilen eingebaut worden sei. Ein entsprechender Nachweis liege erst mit der Erstellung des im vorliegenden Verfahren im Februar 2003 erstellten Nachtragsgutachtens vor.

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    Vorsorglich werde mit einem Anspruch auf Minderung und Schadensersatz i.H.v. 6.409,60 DM aufgerechnet.

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    Der Beklagte beantragt, das Endurteil des LG Traunstein vom 14.4.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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    Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das Ersturteil.

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    Nach der Rechtsprechung des BGH gebe es keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass ein Kraftfahrzeug mit Austausch-Motor grundsätzlich geringer zu bewerten sei als ein Fahrzeug mit Originalmotor. Dieser Erfahrungssatz müsse erst recht gelten für ein Fahrzeug, in das ein Neuteiletriebwerk – wie im vorliegenden Fall – eingebaut sei. Zwischen dem Originalmotor und dem eingebauten Neuteilemotor beständen im vorliegenden Fall entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen keine Qualitätsunterschiede.

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    Ein Mangel i.S.d. § 459 BGB a.F. liege nicht vor. Dem Kläger, der nunmehr einen Motor mit einer Laufleistung von nur wenigen Kilometern erhalte, entstehe durch den Einbau eines Neuteiletriebwerkes kein Nachteil. Ein Minderwert sei nicht feststellbar.

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    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung der Beklagtenpartei vom 29.4.2003 (Bl. 125/135 d.A.) und die Berufungserwiderung der Klagepartei vom 16.7.2003 (Bl. 140/142 d.A.) Bezug genommen.

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    Im Termin zur Berufungsverhandlung wurde die Sach- und Rechtslage mit den Parteivertretern erörtert (Sitzungsniederschrift vom 13.8.2003, Bl. 143/147 d.A.)

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    II. Die zulässige Berufung des Beklagten (§§ 511, 517, 520 ZPO) gegen das Endurteil des LG Traunstein vom 14.4.2003 hat in der Sache keinen Erfolg.

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    Dem Kläger sieht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Erfüllung des mit dem Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrages über einen Pkw BMW 320 D nebst Sonderausstattung und Winterreifen zu. Der Beklagte ist verpflichtet, den Kaufpreis i.H.v. 31.481,10 Euro nebst geltend gemachter Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an dem im Tenor des angefochtenen Urteils Ziff. 1. bezeichneten Fahrzeugs BMW, Modellbezeichnung 320 D, zu bezahlen.

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    Der Beklagte beruft sich ggü. dieser Verpflichtung nicht mit Erfolg auf die von ihm erklärte Wandelung des Kaufvertrages sowie die geltend gemachten Ansprüche auf Minderung und Schadensersatz.

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    Der Senat folgt dazu vollumfänglich den Gründen der angefochtenen Entscheidung und nimmt auf diese zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

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    Das Berufungsvorbringen führt aus folgenden Gründen nicht zu einer abweichenden Entscheidung:

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    Das Erstgericht hat zutreffend die Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen gewürdigt. Ein Mangel des verkauften Fahrzeugs durch den Einbau eines neuen Motors ist zu verneinen, weil der hier eingebaute aus Neuteilen bestehende Motor dem Originalmotor und damit dem Erstmotor technisch völlig gleichwertig ist. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass zwischen den beiden Motoren keinerlei Qualitätsunterschiede bestehen. Dem Erstgericht ist auch dahin zu folgen, dass im Hinblick auf eine tatsächlich nicht bestehende technische Wertminderung ein Mangel nicht mit Erwägungen zu möglichen merkantilen Auswirkungen auf bestimmte Käuferkreise zu begründen ist. Es bedarf dazu keines weiteren Sachverständigenbeweises. Die hypothetische Annahme einer möglichen 3 %igen Minderung eines zu erzielenden Kaufpreises lässt insb. im Hinblick auf die im vorliegenden Fall um ca. 5.000 km geringere Laufleistung des zweiten Motors nicht die Feststellung zu, dass lediglich ein um 3 % verminderter Kaufpreis wegen des neuen Motors erlöst werden kann. Dahinstehen kann damit, ob eine Wertminderung von ca. 3 % des Kaufpreises hier überhaupt als erheblich gem. § 459 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. anzusehen ist.

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    Nachdem im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des Sachverständigen ein Neuteilemotor eingebaut wurde, kann dahinstehen, ob nach dem hier abgeschlossenen Kaufvertrag die Voraussetzungen für den Rücktritt vom Vertrag bei Einbau eines sog. Original-Austausch-Motores vorgelegen hätten.

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    Für die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen der Wandelung ist auf den Zustand des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des vereinbarten Übergabetermins vom 15.7.2002 abzustellen. Seinen Aufklärungs- und Nachweispflichten hat der Kläger durch die Mitteilung, dass das Fahrzeug entsprechend den Werksrichtlinien repariert werde und dem Hinweis im Schreiben vom 19.6.2002 dahin, dass in das Fahrzeug ein Original-BMW-Austausch-Motor mit 2 Jahren Garantie eingebaut werde, genügt. Diese Erklärung der Klagepartei vom 19.6.2002 nimmt Bezug auf das Schreiben des anwaltschaftlichen Vertreters des Beklagten vom 18.6.2002, mit dem verlangt wird, dass ein „Original-Austausch-Motor” eingebaut wird. Zusätzlich hat die Klagepartei mit Schreiben vom 25.6.2002 mitgeteilt, dass das Fahrzeug in einer BMW-Werksniederlassung repariert wird und dass in einer solchen Werkstatt nur BMW-Original-Ersatzteile verbaut werden. Auf die zusätzlich mögliche Differenzierung zwischen Neuteilemotor einerseits und Original-Austausch-Motor andererseits, die sich nach der Feststellung des gerichtlich beauftragten Sachverständigen für die technische Bewertung des Motors ebenfalls nicht erheblich wäre, wurde im Übrigen auch im eigenen Schreiben der Beklagtenpartei vom 18.6.2002 nicht abgestellt.

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    Das Erstgericht hat im Übrigen auch zutreffend festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Wertminderung oder Schadensersatz hier nicht gegeben sind, weil ein den Wert des Fahrzeugs mindernder Mangel zum vorgesehenen Übergabetermin nicht vorgelegen hat.

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    Nach der Besonderheit der vertraglichen Vereinbarung der Parteien dahin, dass das Fahrzeug erst nach einer 6-monatigen Haltefrist durch den Kläger mit einer maximalen Laufleistung von 8.000 km an den Beklagten übergeben werden sollte, ist i.Ü. auch festzustellen, dass nicht jede durch die vereinbarte Haltefrist verursachte Veränderung des Fahrzeugs – im vorliegenden Fall der Einbau eines zweiten Motors ohne eine dadurch bedingte technische Wertminderung – zur Annahme eines Fehlers der Kaufsache gem. § 459 BGB a.F. führt.

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    Der Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

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    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes.