Immer wieder stellt sich beim Autokauf die Frage, ob der Verkäufer eines PKW auch für konstruktionsbedingte Mängel seitens des Herstellers haftet.

Im vorliegend vom OLG Köln entschiedenen Fall war der Halteschuh des Kettenspanners herstellerseitig fehlerhaft konstruiert, so dass es zu einem vorzeitigen Bruch eines Zahns am Halteschuh kommen musste, dessen Folge ein kapitaler Motorschaden war. Der Halteschuh des Kettenspanners war auch kein Verschleißteil, feste Wartungsintervalle sind nicht vorgesehen.

Nachdem die Vorinstanz die Klage des Käufers auf Rückabwicklung abgelehnt hatte, kam das OLG Köln in der Berufung zu einem anderen Ergebnis und gab der Klage statt. Es sei nicht erforderlich, dass der Sachmangel bereits im Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe zutage tritt. Es genügt – wie im vorliegenden Fall – wenn der Mangel im Übergabezeitpunkt konstruktiv angelegt ist. Diese „konstruktive Besonderheit“ führte – so die zu Rate gezogenen Sachverständigen – zwingend zu einem späteren Motorschaden.

Damit war das Fahrzeug nach Ansicht des Gerichts zum Zeitpunkt der Auslieferung (§ 446 Satz 1 BGB) mit einem Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB behaftet, da es nicht die Beschaffenheit aufwies, die bei Fahrzeugen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer regelmäßig erwarten kann. Der Rücktritt war berechtigt.


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    Urteil im Volltext

    Tenor
    1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 18. April 2020 – 8 O 384/18 – wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.224 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. August 2018 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Audi A3 Sportback Attraction 1.8l, Fahrzeug-Ident-Nr. A zu zahlen.

    2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs Audi A3 Sportback Attraction 1.8l, Fahrzeug-Ident-Nr. A im Annahmeverzug befindet.

    3. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin weitere 895,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. August 2018 zu zahlen.

    4. Die Beklagte wird zudem verurteilt, an die Klägerin vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. August 2018 zu zahlen.

    Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 20 % und die Beklagte zu 80 %.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

    Gründe
    I. Die gemäß § 511 Abs. 1, 2, § 513 Abs. 1, § 517, § 519 Abs. 1, 2, § 520 Abs. 1, 2, 3 ZPO zulässige Berufung ist weit überwiegend begründet.

    1. Die Klage ist insgesamt zulässig.

    Hinsichtlich des Antrags auf Feststellung des Annahmeverzugs folgt das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse aus §§ 756, 765 ZPO.

    2. Die Klage ist auch weitgehend begründet.

    a) Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 433 Abs. 1, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 437 Nr. 2, § 346 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 10.280 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.056 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs Audi A3 Sportback Attraction zu.

    aa) Das Fahrzeug war zum Zeitpunkt der Auslieferung (§ 446 BGB) mit einem Mangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB behaftet, da es nicht die Beschaffenheit aufwies, die bei Fahrzeugen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer regelmäßig erwarten konnte.

    (1) Maßstab für die Bestimmung der üblichen Beschaffenheit ist die objektiv berechtigte Käufererwartung, die sich in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen orientiert. Als übliche Beschaffenheit kann der Käufer daher in technischer Hinsicht grundsätzlich erwarten, dass die Kaufsache dem jeweiligen Stand der Technik entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 4. 3. 2009 – VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056).

    Zur Bejahung eines Mangels ist es dabei nicht erforderlich, dass die Beschaffenheitsabweichung zum Zeitpunkt der Übergabe bereits zutage getreten ist. Vielmehr genügt es, wenn der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache konstruktiv angelegt ist. So überschreitet eine Schwachstelle in der verwendeten Motortechnologie die Bandbreite der technisch möglichen und zulässigen Lösungsansätze, wenn eine „konstruktive Besonderheit“ eines Fahrzeugs zu einem späteren Zeitpunkt einen vom Käufer nicht zu verhindernden Motorschaden bewirkt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 6. September 2017 – 4 U 105/17, juris Rn. 79; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. November 2011 – 1 U 141/07, juris Rn. 61).

    (2) So verhält es sich hier.

    Das Fahrzeug wies zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen Konstruktionsmangel auf. Der Senat ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme i.S.d. § 286 ZPO überzeugt, dass der Halteschuh des Kettenspanners von Seiten des Herstellers derart konstruiert war, dass dieser nicht die Haltbarkeitsdauer der Steuerkette und des Motors erreichen konnten, sondern es zuvor zu einem – aus Sicht des Kunden plötzlichen – Bruchs eines Zahns am Halteschuh und infolgedessen zu einem kapitalen Motorschaden kommen musste. Eben dieser Schaden ist auch hier am Fahrzeug der Klägerin eingetreten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass Folge eines konstruktionsbedingten Schwingbruchs eines Zahns am Halteschuh des Kettenspanners letztlich ein Überspringen der Steuerkette war, welches zu dem kapitalen Motorschaden geführt hat.

    Dies hat der zweitinstanzlich beauftragte, gerichtserfahrene Sachverständigen B in seinem überzeugenden Gutachten vom 23. Juli 2021 und im Rahmen seiner ergänzenden Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2021 nachvollziehbar ausgeführt. Der Senat schließt sich den überzeugenden und stringenten Feststellungen des Sachverständigen vollumfänglich an.

    Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der letztlich beschädigte Halteschuh dazu gedient habe, den Kettenspanner in der Warmlaufphase des Motors zu arretieren, damit die Steuerkette auf Spannung gehalten werde. Hierzu verfüge der Halteschuh über eine Verzahnung mit drei Zähnen, die in eine Verzahnung der Kolbenstange des Kettenspanners greife und den Kettenspanner so auf der Steuerkette halte. Allerdings komme es bei der gewählten Konstruktion in dem Moment, in dem der Kettenspanner gerade so weit ausgefahren sei, dass die Verzahnung genau in die Verzahnung des Kettenspanners greife, bei typischen Bewegungen der Steuerkette im Betrieb des Motors unvermeidbar zu stoßenden Belastungen auf die Verzahnung, konkret auf den Zahn, der jeweils gerade im Eingriff der Verzahnung des Kettenspanners sei. Da dieser nicht elastisch ausweichen könne, führe dies konstruktionsbedingt auf lange Sicht gesehen zu einer Dauerbelastung für die Verzahnung und letztlich zu einem Dauerschwingbruch der Zähne, welcher sukzessive mit der Belastung einhergehe. Ursache ist nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen die starre Verbindung zwischen Klemmstück und Kolbenstange des Kettenspanners und auch das Material des Halteschuhs, der aus – im Vergleich zu Schmiedemetall weniger robustem – Sintermetall gefertigt sei. Aufgrund seiner Beschaffenheit und Befestigung sei der Halteschuh nicht geeignet, die Lebensdauer der Steuerkette oder des Motors zu erreichen. Letztlich gelangt der Sachverständige daher zu dem Ergebnis, dass die Konstruktion des Kettenspanners unter Berücksichtigung der von ihr zu tragenden Last konstruktiv fehlerhaft ausgelegt war.

    Der Sachverständige hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung die Annahme der Beklagtenseite ausschließen können, dass das Überspringen der Steuerkette auf einer Längung der Steuerkette beruhte. Die an der Steuerkette vorgenommenen Längenmessungen hätten gezeigt, dass eine außerhalb der Toleranzen liegende und nicht durch den Halteschuh auszugleichende Längung der Steuerkette nicht vorgelegen habe.

    Die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B werden durch die Feststellungen des erstinstanzlich bestellten Sachverständigen C bestätigt. Dieser hatte im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens ebenfalls festgestellt, dass Ursache des Motorschadens der Bruch eines Zahns des Halteschuhs und hierdurch verursacht ein Überspringen der Steuerkette und die damit einhergehende Verschiebung der Steuerzeiten war. In seiner ergänzenden Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2020 gelangte der Sachverständige C gleichermaßen zu dem Ergebnis, dass es sich um eine systemimmanente Schädigung handele, die im Hinblick auf die Konstruktion des Halteschuhs angelegt gewesen sei.

    Schließlich stehen die Feststellungen des Sachverständigen B im Einklang mit dem Gutachten des Privatsachverständige D vom 17. Februar 2020. Dieser hatte nach einer rasterelektronenmikroskopischer Untersuchung des Kettenspanners sowie des Halteschuhs festgestellt, dass ein Zahn des Halteschuhs ausgebrochen war, wodurch sich die Spannung der Steuerkette sowie des Schwingsystems maßgeblich verändert hatte. Folge sei ein Überspringen der Steuerkette gewesen. Auch der Privatsachverständige D gelangt abschließend zu dem Ergebnis, dass es sich um eine systemimmanente Schädigung handelt, die unter Berücksichtigung der aufgeprägten Last im Hinblick auf die Konstruktion angelegt gewesen sei.

    Für den von den Sachverständigen festgestellten Konstruktionsmangel sprechen zudem weitere Indizien:

    So haben die Internetrecherchen des Sachverständigen B ergeben, dass in verschiedenen Internetforen eine Vielzahl identischer Schäden bei dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp diskutiert wurde. Auch die Zeitung „E“ hatte über die Problematik berichtet. Die Ausführungen des Sachverständigen B werden durch die Feststellungen des erstinstanzlich bestellten Sachverständigen C bestätigt. Dieser hatte in seinem Gutachten ebenfalls ausgeführt, dass in diversen Internetportalen bei Motorentypen der streitgegenständlichen Kennnummer CDA Probleme insbesondere der Steuerkette und des Kettenspanners diskutiert würden.

    Der Sachverständige B hatte zudem bei einem Annahmeleiter eines großen Audi-Zentrums Informationen zu der streitgegenständlichen Thematik eingeholt. Der Annahmeleiter bestätigte dem Sachverständigen auf Nachfrage, dass der Kettenspanner des streitgegenständlichen Fahrzeugmodells Probleme bereite und die Audi AG aus Kulanz noch bis zu zehn Jahren nach dem Ersterwerb Teile der Reparaturkosten erstatte.

    Als weiteres Indiz für den von den Sachverständigen festgestellten Konstruktionsmangel ist schließlich zu konstatieren, dass – wie von dem Sachverständigen B festgestellt – die Audi AG die Konstruktion des Halteschuhs inzwischen ausgetauscht hat. Die neue Konstruktion bestehe nun nicht mehr aus Verzahnungen, sondern aus einer rund ausgelegten Feder, die flexibler auf die Stöße der Steuerkette reagieren könne und bei der die Kräfte besser verteilt würden.

    Entgegen der Auffassung der Beklagte handelt es sich auch nicht lediglich um einen gewöhnlichen Verschleiß eines Motorbauteils. Bei dem Halteschuh handelt es sich – wie auch der Sachverständige B ausgeführt hat – um kein Verschleißteil. Insoweit gibt es auch keine Hinweise des Herstellers auf die Notwendigkeit eines Austauschs des Halteschuhs nach einer gewissen Laufleistung noch sind von Seiten des Herstellers Wartungsintervalle vorgesehen. Die fortschreitende Schädigung des Halteschuhs ist zudem für den Fahrzeugnutzer – auch im Zuge von Inspektionen oder TÜV-Untersuchungen – nicht erkennbar und mithin nicht vermeidbar, da es hierfür eines Ausbaus des Halteschuhs bedürfte.

    bb) Der Rücktritt ist nicht gemäß §§ 218, 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 476 Abs. 2 BGB i.V.m. Ziffer VI. 1. der Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen unwirksam.

    Zwar ist § 476 Abs. 2 BGB trotz seiner Richtlinienwidrigkeit (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juli 2017 – C-133/16, JZ 2018, 298) wirksam und bis zu einer Neuregelung durch den deutschen Gesetzgeber anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008), so dass die Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr wirksam erfolgt ist. Demnach wäre die Verjährung, da die Übergabe des Fahrzeugs am 19. Juli 2017 erfolgt war, mit Ablauf des 19. Juli 2018 vollendet gewesen.

    Allerdings war der Lauf der Verjährung durch Verhandlungen der Parteien jedenfalls am 29. Juni 2018 und in der Zeit vom 16. Juli 2018 bis zur Rücktrittserklärung am 22. August 2018 gemäß § 203 BGB gehemmt.

    (1) Der Begriff „Verhandlungen“ im Sinne von § 203 Satz 1 BGB ist weit auszulegen. Der Gläubiger muss dafür lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner einen Meinungsaustausch nicht sofort und erkennbar ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Partei die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder über dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2009 – XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76).

    „Verhandlungen“ sind auch dann zu bejahen, wenn der Schuldner die Sache im Einverständnis mit dem Gläubiger der Prüfung des Vorhandenseins eines Mangels oder seiner Beseitigung unterzieht. Ausreichend ist insoweit bereits, dass der Schuldner bei dem Gläubiger den Eindruck erweckt, er werde den Mangel prüfen bzw. sich um ihn kümmern, und der Gläubiger hiermit einverstanden ist (vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 2007 – X ZR 101/06, NJW 2008, 576 und vom 26. Oktober 2006 – VII ZR 194/05, NJW 2007, 587).

    (2) Diese Voraussetzungen sind gegeben.

    Am 29. Juni 2018 wurde das Fahrzeug aufgrund des Motorschadens zur Beklagten nach F verbracht. Ausweislich der Auftragsbestätigung vom 8. August 2018 waren zur Ursachenermittlung noch weitere Zerlegarbeiten erforderlich. Aus dem anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 5. Juli 2018 ergibt sich, dass die Prüfung der Beklagten zuvor zu dem Ergebnis gekommen war, dass aus ihrer Sicht kein Mangel vorlag. Diese Korrespondenz zeigt, dass die Beklagte das Fahrzeug zunächst einer Mangelprüfung unterzogen hat. Der Lauf der Verjährung war daher zumindest am 29. Juni 2018 gehemmt.

    Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Juli 2018 setzte die Klägerin der Beklagten vorsorglich eine Nacherfüllungsfrist bis zum 19. Juli 2018. Hierauf reagierten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit E-Mail vom 19. Juli 2018 und teilten mit, dass sich der zuständige Mitarbeiter im Urlaub befinde. Zugleich baten sie um Fristverlängerung bis zum 31. Juli 2018. Da demnach auf die Nachfristsetzung durch die Klägerseite keine erkennbare Ablehnung durch die Beklagte erfolgt war, lagen auch während diesen Zeitraums Verhandlungen der Parteien vor. Der Lauf der Verjährung war mithin erneut vom 16. Juli 2018 bis zur Rücktritterklärung vom 22. August 2018 gehemmt.

    Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Ablaufhemmung gemäß § 203 S. 2 BGB von drei Monaten konnte eine Verjährung des Anspruchs mithin nicht eintreten.

    cc) Mit Schreiben vom 22. August 2018 hat die Klägerin gemäß § 349 BGB den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

    dd) Gemäß § 346 Abs. 1 BGB ist die Beklagte als Rechtsfolge des wirksamen Rücktritts verpflichtet, den von der Klägerin entrichteten Kaufpreis in Höhe von 10.280 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs zurückzuerstatten. Die Klägerin muss sich allerdings für die Nutzung des Fahrzeugs gemäß § 346 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB eine Entschädigung in Abzug bringen lassen. Diese beziffert die Klägerin bei einer Restlaufleistung des Fahrzeugs von 146.000 km mit 1.056 €. Dass die Nutzungsentschädigung zu niedrig angesetzt sein könnte, ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

    b) Auf den Antrag der Klägerin war zudem festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß §§ 293, 295 BGB im Annahmeverzug befindet. Spätestens mit der Klageerhebung hat die Klägerin der Beklagten das Fahrzeug in Annahmeverzug begründender Weise – auch unter Berücksichtigung der in Abzug zu bringenden Nutzungsentschädigung – angeboten.

    c) Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der ihr aufgrund der vorgenannten Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs zum Zwecke einer möglichen Nachbesserung durch die Beklagte entstandenen Aufwendungen in Höhe von 895,09 € aus § 439 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte zu.

    Gemäß § 439 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer – verschuldensunabhängig – die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Über diese ausdrücklich benannten Kosten hinaus hat der Verkäufer auch die zur Klärung der Mangelursache und die ggf. zur Anspruchsdurchsetzung erforderlichen Kosten gemäß § 439 Abs. 2 BGB zu ersetzen (vgl. BGH, Urteile vom 24. Oktober 2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 und vom 30. April 2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83).

    Dem Ersatzanspruch aus § 439 Abs. 2 BGB steht dabei nicht entgegen, dass – wie hier – letztlich eine Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB nicht mehr verlangt wird, sondern Sekundäransprüche durch den Käufer geltend gemacht werden. Dies ändert nämlich nichts daran, dass die angefallenen Kosten jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer für den Ersatzanspruch maßgeblichen Entstehung zumindest auch zum Zwecke einer möglichen Nacherfüllung als dem den anderen Mängelrechten vorgeschalteten Mängelrecht aufgewandt worden sind. Ob derartige Aufwendungen anschließend tatsächlich zu einer (erfolgreichen) Nacherfüllung führen, ist für den zuvor bereits wirksam entstandenen Ersatzanspruch ohne Bedeutung. Das gilt insbesondere auch dann, wenn der Verkäufer anschließend weiterhin jegliche Mängel bestritten hat und deshalb der Käufer eine Nacherfüllung auch im Falle einer Fristsetzung unter keinen Umständen erwarten konnte (vgl. BGH, Urteile vom 30. April 2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 und vom 8. Mai 2012 – XI ZR 61/11, WM 2012, 1189).

    Im Einzelnen ist die Beklagte daher wie folgt zur Kostenerstattung verpflichtet:

    aa) Die Klägerin kann die Rückerstattung der Kosten für die Fahrzeuguntersuchung durch die Beklagte in Höhe von 156,43 € verlangen. Soweit die Beklagte diese Kosten einfach bestreitet, ist dies im Hinblick darauf, dass diese Arbeiten von ihr selbst durchgeführt wurden und die Kosten auf ihrer eigenen Abrechnung vom 8. August 2018 basieren, unbeachtlich.

    bb) Ferner sind der Klägerin die Kosten für die Diagnosearbeiten der I GmbH in Höhe von 253,66 € zu erstatten. Dass die Arbeiten durchgeführt worden sind, ist unstreitig. Die Höhe der Kosten ergibt sich aus der entsprechenden Rechnung der I GmbH. Anhaltspunkte dafür, dass diese Kosten unangemessen sind, bestehen nicht.

    Ob die Klägerin die Rechnung beglichen hat, kann dahinstehen. Insofern stand ihr nämlich aus § 439 Abs. 2 BGB zumindest ein Freistellungsanspruch gegen die Beklagt zu (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83; OLG Köln, Urteil vom 27. März 2020 – 6 U 24/19, juris; jeweils zu vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten). Dieser Freistellungsanspruch hätte sich in jedem Fall in einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1, 3 BGB umgewandelt, da die Beklagte die Erfüllung des Freistellungsanspruchs spätestens durch ihr Verhalten im Prozess im Sinne des § 281 Abs. 2 BGB ernsthaft und endgültig verweigert hat (BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – I ZR 224/13, NJW-RR 2016, 155 Rn. 34 m.w.N.).

    cc) Entsprechendes gilt hinsichtlich der Kosten für die Anmietung eines Anhängers zur Abholung des Fahrzeugs aus F in Höhe von 45,00 €. Hierbei handelt es sich um die Rücktransportkosten nach erfolgloser bzw. unterbliebener Nacherfüllung. Auch diese Kosten unterfallen § 439 Abs. 2 BGB. Dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem Anhänger aus F abgeholt wurde, stellt die Beklagte nicht in Abrede. Zwar wurde der Mietvertrag vom 8. August 2018 ausweislich des Vertragsformulars nicht von der Klägerin, sondern von ihrem Lebensgefährten, Herrn G, abgeschlossen. Insoweit stand Herrn G aber gegen die Klägerin ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB zu. Sofern die Klägerin diesen noch nicht erfüllt haben sollte, konnte sie von der Beklagten gemäß § 439 Abs. 2, § 257 BGB Freistellung verlangen. Auch dieser Freistellungsanspruch hätte sich jedenfalls inzwischen in einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1, 3 BGB gewandelt. Bedenken gegen die Angemessenheit dieser Kosten bestehen aus Sicht des Senats nicht.

    dd) Aus dem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt kann die Klägerin Erstattung der Fahrtkosten verlangen, die ihr für die Abholung des Fahrzeugs aus F entstanden sind. Dass die Klägerin bzw. ihr Lebensgefährte und dessen Stiefvater die Fahrt nach F und zurück durchgeführt haben, bestreitet die Beklagte nicht.

    Die Kosten für die Nutzung des eigenen PKW sind gemäß § 287 ZPO auf 0,30 € pro gefahrenem Kilometer zu schätzen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 19. Februar 2020 – 14 U 69/19, NJW-RR 2020, 407). Allerdings beläuft sich die Strecke von H nach F ausweislich googlemaps auf lediglich 227 km. Die Gesamtstrecke schätzt der Senat daher gemäß § 287 ZPO auf gerundet 500 km (und nicht wie von der Klägerin angenommen auf 600 km). Es ergibt sich mithin ein Fahrtkostenerstattungsanspruch in Höhe von 150,00 €.

    ee) Zu ersetzen sind dementsprechend gemäß § 439 Abs. 2 BGB schließlich auch die Aufwände des Herr G und des Stiefvaters in Höhe von insgesamt 290 €.

    (1) Bei eigener Arbeitsleistung des Geschädigten handelt es sich um einen kapitalisierbaren Wert. Arbeits- und Zeitaufwand wird schadensrechtlich als ein Vermögenswert angesehen, wenn sich nach der Verkehrsauffassung für die getätigte Arbeitsleistung ein sich objektiv nach dem Maß der Arbeitskraft bemessender geldlicher Wert, d.h. ein Marktwert, ermitteln lässt (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2001 – X ZR 160/99, NJW-RR 2001, 887). Allerdings ist nicht nur eigener Arbeits- und Zeitaufwand des Geschädigten zu ersetzen. Gleichermaßen ist der (unentgeltliche) Arbeitsaufwand Dritter, insbesondere Angehöriger erstattungsfähig. Überobligatorische Anstrengungen Dritter, die nicht dem Schädiger, sondern dem Geschädigten zugutekommen sollen, dürfen diesen nicht entlasten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 2019 – VI ZR 377/17, MDR 2019, 1083, OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 2018 – 22 U 97/16, NJW 2019, 442).

    Diese im Rahmen des§ 249 BGB aufgestellten Vorgaben müssen entsprechend im Rahmen des Kostenerstattungsanspruchs aus § 439 Abs. 2 BGB gelten.

    Nicht zu beanstanden ist es nach Auffassung des Senats, dass zwei Personen mit der Fahrzeugabholung betraut waren. Nach dem Vortrag der Klägerin war lediglich der Stiefvater berechtigt und imstande das Fahrzeug mit Anhänger zu steuern. Dass der Stiefvater dabei vom Lebensgefährten der Klägerin begleitet wurde, ist in Anbetracht der Fahrtstrecke von gerundet 500 km und in Anbetracht des Regulierungsverhaltens der Beklagten angemessen.

    (2) Den zu ersetzenden Zeit- und Arbeitsaufwand schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf 10 € pro Stunde. Dabei legt der Senat den Stundenlohn zugrunde, der einem entsprechenden professionellen Dienstleister zu zahlen gewesen wäre. Der Mindestlohn für Taxifahrer beläuft sich auf 9,60 € pro Stunde. Gerundet beläuft sich dieser mithin auf 10 € je Stunde, so dass sich der zu ersetzende Aufwand auf 14,5 Stunden x 10 €, also auf 145 € pro Person, mithin auf 290 € beläuft.

    ff) Der Klägerin sind gemäß § 439 Abs. 2 BGB gleichermaßen ihre vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 € zu erstatten (vgl. auch BGH, Urteil vom 30. April 2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83; OLG Köln, Urteil vom 27. März 2020 – 6 U 24/19, juris).

    Die Rechtsanwaltsgebühren bemessen sich nach dem Gegenstandswert von 12.616,09 € und belaufen sich daher nach der auf das vorliegende Mandat anwendbaren Fassung des RVG – wie geltend gemacht – auf 1,3 Gebühren x 604 € + 20 € +19%.

    d) Sämtliche Zinsansprüche sind aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 22. August 2018 gemäß § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

    e) Der Klägerin steht indes kein Anspruch auf Nutzungsausfallersatz zu.

    Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 433 Abs. 1, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 BGB oder aus § 433 Abs. 1, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 2, § 286 Abs. 1 BGB sind nicht gegeben.

    Dabei kann es dahinstehen ob bzw. ab wann sich die Beklagte ggf. mit der Nacherfüllung in Verzug befand und inwieweit ihr ein Vertretenmüssen anzulasten ist.

    Die Klägerin hat nämlich die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Nutzungsausfallschadens trotz Bestreitens der Beklagten nicht dargetan. Die Erstattung eines Nutzungsausfallschadens setzt voraus, dass der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis zur Nutzung des Fahrzeugs willens und fähig gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2010 – VIII ZR 145/09, NJW 2010, 2426 m.w.N.). Die Klägerin hat indes weder dargetan, dass sie während des von ihr benannten Zeitraums das Fahrzeug nutzen wollte, noch dass sie es überhaupt während dieser Zeit hätte nutzen können.

    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

    III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 S. 1, § 711, § 713 ZPO.

    Der Streitwert wird auf 12.616,09 € festgesetzt.