Anlässlich der umfassenden Änderungen im Kaufrecht, die seit dem 1.1.2022 in Kraft sind, müssen sich vor allem gewerbliche Gebrauchtwagenhändler auf höhere rechtliche Risiken einstellen. Die Änderungen gehen zurück auf die Warenkaufrichtlinie (EU) 2019/771, die der deutsche Gesetzgeber umsetzen musste. Die bislang maßgebliche Verbrauchsgüterkaufrichtlinie aus dem Jahr 1999 wird ersetzt.

Die wesentlichen Änderungen – soweit für den Kfz-Handel von Relevanz – lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Änderungen beim Begriff des Sachmangels

Der Begriff des Sachmangels erfährt einige Änderungen und Ergänzungen. Soweit für den Kfz-Handel von Relevanz, können künftig beim Autoverkauf präsentierte Vorführwagen den objektiven Fehlerbegriff mitprägen.

Beispiel: Kunde K macht eine Probefahrt mit dem Vorführwagen und testet diverse Ausstattungsmerkmale. Diese finden sich im später erworbenen PKW nicht wieder, weil der Hersteller die Serienausstattung nachträglich geändert hatte.

In diesem Fall kann die „Probe“ der Kaufsache den Sollzustand des gekauften PKW mitbestimmen. Hierauf ist künftig Augenmerk zu legen bei Modell- oder Ausstattungsabweichungen.

Nacherfüllung: Zurverfügungstellung des PKW am Händlersitz

Was bisher bereits von der Rechtsprechung angenommen wurde, ist nun in § 439 Abs. 5 BGB gesetzlich verankert: Der Käufer hat dem Verkäufer das Kfz zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen. Geschieht dies nicht, liegt kein ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen vor und ein etwaiger Rücktritt des Käufers ist unwirksam.

Hinweis: Beim Verbrauchsgüterkauf kann der Käufer allerdings einen Vorschuss für die voraussichtlichen Transportkosten des PKW an den Betriebssitz des Verkäufers verlangen (§ 475 IV BGB). Wird der Vorschuss nicht geleistet, kann der Käufer zurücktreten.

Nacherfüllung: Entbehrlichkeit der Fristsetzung und zweitem Versuch

Bislang durfte der Händler bei Mängeln zweimal nachbessern, bis der Kunde zurücktreten konnte. D.h. ein Rücktritt war im Regelfall nicht möglich, wenn anch dem ersten Nachbesserungsversuch der Mangel fortbestand oder sich kurz darauf erneut zeigte.

Zudem musste eine konkrete Frist vom Kunden gesetzt werden („Hiermit fordere ich Sie zur Nacherfüllung bis … auf.“), bis zu deren Ablauf die Reparatur erfolgt sein musste.

Nach dem neuen Recht kann es für einen Rücktritt bereits genügen, wenn der Kunde dem Händler den Mangel lediglich mitteilt, ohne eine konkrete Nachfrist zu setzen.

Beispiel: Käufer K schreibt dem Autohändler A „Hiermit teile ich Ihnen mit, dass das Getriebe einen Defekt aufweist.“ Nach Ablauf von zwei Wochen erklärt K den Rücktritt. A ist erstaunt.

Der Rücktritt ist gleichwohl wirksam. Es bedarf also nach dem neuen Recht keiner ausdrücklichen Aufforderung zur Reparatur mehr, dies gilt zumindest im Gebrauchtwagenkauf. Beim Neuwagenkauf muss der Käufer entscheiden, ob der Neulieferung oder Nachbesserung möchte. Dieses Wahlrecht muss konkretisiert werden.

Zudem kann der Rücktritt auch bereits dann berechtigt sein, wenn nach einem einzigen Nacherfüllungsversuch der Mangel weiterhin besteht, also die Nacherfüllung lediglich einmal gescheitert ist.

Beispiel: Autohändler A versucht nach Aufforderung des Kunden einen Defekt an der Klimaanlage zunächst durch Austausch des Kühlmittels und einer Sicherung zu reparieren. Wenige Tage später zeigt sich der Defekt erneut. Der Kunde K erklärt den Rücktritt.

Der Rücktritt ist wirksam. Nach neuem ab 1.1.2022 geltendem Recht bedarf es keines zweiten Nacherfüllungsversuches mehr, § 440 BGB ist im Verbrauchsgüterbereich nicht mehr anwendbar.

Auch bei einem schwerwiegenden Mangel kann sofort der Rücktritt erklärt werden (neuer § 475d Abs. 1 Nr. 3 BGB). Allerdings gibt es mangels Rechtsprechung noch keine Handhabe dazu, welche Art von Mängel einen sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Für die wesentlichen schweren Mängel im Kfz-Kauf gilt dies praktisch schon immer, da diese unbehebbar sind (Unfallschaden etc.).

Verlängerung der Beweislastumkehr

Der Käufer muss im Grundsatz beweisen, dass der PKW bei Ablieferung bereits mangelhaft war.

Bei Käufern, die Privatpersonen und damit Verbraucher sind, galten bis zum 31.12.2021 sechs Monate Beweislastumkehr ab Auslieferung des PKW, d.h. bei auftretenden Mängel musste im Ergebnis der GW-Händler die Mangelfreiheit im Auslieferungszeitpunkt beweisen.

Diese bereits früher sehr nachteilige Frist wurde nun unsinnigerweise auf 12 Monate ausgedehnt. D.h. in vielen Fällen erhält der private Käufer eine faktische Garantie bei Gebrauchtwagen für 12 Monate.

Vereinbarung von negativen Beschaffenheitsmerkmalen

Im Bereich des Verbrauchergeschäfts, also bei einem Käufer, der Verbraucher ist, sind so genannte negative Beschaffenheitsvereinbarungen nur noch unter besonderen, engen Voraussetzungen möglich. Als negative Beschaffenheitsvereinbarung gilt beispielsweise beim Autokauf die vereinbarte Eigenschaft „Unfallschaden“, „reparierter Vorschaden“ oder „Mietfahrzeug“ etc.

Solche Vereinbarungen sind gegenüber Verbrauchern nur noch wirksam, wenn der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht, und die Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.

Es sind demnach künftig zwei separate Dokumente erforderlich, die vorvertragliche Information und der eigentliche Kaufvertrag.

Hintergrund ist, dass dem Käufer als Verbraucher genügend Zeit zur Überlegung über die Vertragsentscheidung eingeräumt werden soll, insbesondere Überraschungsentscheidungen vermieden werden sollen.

Dies dürfte zweierlei erfordern:

a) Zwischen vorvertraglicher Information über die Negativabweichung und Unterzeichnung des Vertrages muss ein gewisser zeitlicher Abstand liegen (zum Beispiel eine kurze Kaffeepause von 30 Minuten) und

b) im Vertrag muss die Negativabweichung gesondert vom Käufer unterzeichnet werden, d. h. es sind im Ergebnis mindestens zwei Unterschriften erforderlich, einmal für den Vertrag selbst und zum anderen gesondert für die Vereinbarung einer negativen Abweichung.

In diesem Zusammenhang empfehlen wir derzeit die genaue Uhrzeit der Unterschriftsleistungen bei beiden Dokumenten neben der Unterschriftszeile zu vermerken, um beweisen zu können, dass die Unterzeichnung beider Dokumente nicht zeitlich zusammenfiel.

Die genaue Interpretation der neuen Vorschriften wird von der Rechtsprechung noch zu leisten sein, richtungsweisende Urteile liegen noch nicht vor.

Auto mit digitalen Elementen: Ausschluss der Updateverpflichtung

Im Kfz-Handel dürfte ferner noch von Interesse sein, dass nach dem neuen Recht Kraftfahrzeuge als „Waren mit digitalen Elementen“ eingestuft werden können. Aufgrund der zahlreichen an Bord verbauten elektronischen Komponenten mit Steuerungssoftware leuchtet dies dem Grunde nach ein (bpsw. Motorsteuerung, Navigationsgerät etc.)

Problematisch ist die so genannte Aktualisierungspflicht, die den Verkäufer dazu verpflichtet, innerhalb eines gewissen Zeitraums nach dem Kauf Updates bereitzustellen. Erfolgt dies nicht, liegt ein Sachmangel vor, wenn keine Updates für die Software bereitgestellt werden. Problematisch für den Gebrauchtwagenhandel ist, dass Updates regelmäßig vom Hersteller produziert und verteilt werden und der Händler hierauf keinen Einfluss hat.

Daher ist aus Händlersicht in der Vertragsdokumentation auch darauf zu achten, dass die Verpflichtung zur Bereitstellung von Softwareupdates ausgeschlossen wird. Hierfür gelten wiederum die oben genannten Voraussetzungen, d.h. über den Ausschluss der Aktualisierungsverpflichtung muss der Käufer – am besten schriftlich – vorvertraglich und im Vertrag selbst separat informiert worden sein und zwar „eigens“, d.h. am Besten muss auch dieser Abschnitt im Vertragswerk zweimal separat unterzeichnet werden.


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