Urteil des Landgerichts Landshut vom 27. Februar 2025 (Az. 81 O 1167/23)
Das Landgericht Landshut hat am 27. Februar 2025 im Verfahren Az. 81 O 1167/23 ein bemerkenswertes Urteil zur Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs gefällt. Im Zentrum der Entscheidung stand die Anwendung der neuen Vorschrift des § 476 Abs. 1 BGB, die seit dem 1. Januar 2022 gilt.
Rücktritt beim Gebrauchtwagenkauf: Landgericht Landshut zur negativen Beschaffenheitsvereinbarung nach § 476 Abs. 1 BGB
Sachverhalt: Streit um Rückabwicklung wegen Wasserschaden und Unfallschaden
Im August 2022 kaufte ein Verbraucher von einem gewerblichen Kfz-Händler einen gebrauchten Mercedes-Benz Cabrio C300 (USA-Import) zum Kaufpreis von 48.900 Euro. Das Fahrzeug hatte laut Kaufvertrag einen reparierten Wasserschaden, der in einem CarFAX-Bericht dokumentiert und im Vertrag durch Ankreuzen einer gesonderten Checkbox ausdrücklich vermerkt war. Auch optisch war der Passus im Vertrag deutlich hervorgehoben. Nach Angaben des Verkäufers wurde der Schaden fachgerecht behoben, unter anderem durch den Austausch des kompletten Kabelbaums.
Einige Monate nach dem Kauf machte der Käufer weitere Mängel geltend: Am rechten Vorderkotflügel des Fahrzeugs sei ein erheblicher Unfallschaden vorhanden, der laut Gutachten eine punktuelle Verformung mit Lackierung und möglicherweise geringem Spachtelauftrag aufweise. Die Reparaturkosten wurden vom Sachverständigen auf etwa 1.072 Euro netto geschätzt. Die Stelle am Fahrzeug befand sich an der Radlaufkante in 2-Uhr-Stellung und entsprach in Größe etwa einer Daumenkuppengroßen Delle, wie sie typischerweise bei einem Parkrempler entstehen kann.
Der Käufer erklärte daraufhin im April 2023 den Rücktritt vom Kaufvertrag, unter Verweis auf den Wasserschaden und den vermeintlichen Unfallschaden. Außerdem machte er geltend, nicht ausreichend über die Fahrzeugvorgeschichte informiert worden zu sein. Der Verkäufer wies die Vorwürfe zurück und verwies auf die vertragliche Dokumentation und die mündliche Aufklärung vor Vertragsschluss. Die Sache kam vor das Landgericht Landshut.
Kernfrage: Ist ein Rücktritt wegen Sachmängeln beim Gebrauchtwagenkauf möglich?
Das Gericht hatte zu prüfen, ob Sachmängel im Sinne des § 434 BGB vorliegen und ob der Käufer wirksam vom Vertrag zurücktreten konnte. Zentrale rechtliche Grundlage war dabei auch der seit 1. Januar 2022 geltende § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB, der eine wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung voraussetzt, wenn ein Verbraucher über Mängel informiert wird.
Rechtliche Würdigung: Kein Rücktrittsrecht wegen ordnungsgemäßer Aufklärung
1. Kein erheblicher Unfallschaden im Sinne des § 434 BGB
Das Landgericht folgte der Einschätzung des gerichtlich bestellten Sachverständigen, der keinen „erheblichen ins Blech gehenden“ Unfallschaden feststellen konnte. Vielmehr handelte es sich um eine lokalisierte Delle, wie sie bei typischen Parkschäden auftreten. Die Reparaturkosten lagen mit rund 1.000 Euro netto im Bereich des Üblichen. Auch eine merkantile Wertminderung sei nicht feststellbar gewesen – insbesondere deshalb, weil der bekannte Wasserschaden das Fahrzeug ohnehin stark prägte. Das Gericht sah daher keinen Sachmangel und stufte den Schaden als nicht mitteilungspflichtigen Bagatellschaden ein.
2. Wasserschaden: Wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung nach § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB
Hier lag der Fokus auf dem neuen Verbraucherschutzrecht:
- Vorvertragliche Information (§ 476 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB): Der Käufer wurde nachweislich im Verkaufsgespräch über den reparierten Wasserschaden informiert. Auch wenn keine schriftliche Dokumentation vorlag, genügte das Gespräch den Anforderungen an eine „eigens erfolgte“ Information.
- Gesonderte vertragliche Vereinbarung (§ 476 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB): Im Kaufvertrag war der Wasserschaden optisch hervorgehoben und musste durch eine Checkbox ausdrücklich akzeptiert werden. Diese Gestaltung entsprach den gesetzlichen Anforderungen an eine deutlich hervorgehobene Vereinbarung über eine negative Beschaffenheit.
Damit war eine wirksame Ausschlussvereinbarung im Sinne des neuen § 476 BGB gegeben. Der Rücktritt scheiterte somit auch insoweit.
Praktische Bedeutung: Mehr Rechtssicherheit für Händler – aber nur bei klarer Dokumentation
Die Entscheidung des LG Landshut zeigt, wie wichtig eine korrekte und dokumentierte Aufklärung über Fahrzeugmängel ist. Der Händler konnte sich auf den neuen § 476 Abs. 1 BGB berufen – allerdings nur, weil er den Käufer nachweislich und deutlich sichtbar im Vertrag informiert hatte.
Für Händler bedeutet das:
- Mündliche Hinweise allein genügen nur im Ausnahmefall – besser sind schriftliche, gegengezeichnete Informationen.
- Vertragsformulare sollten hervorgehobene Checkboxen oder gesonderte Abschnitte enthalten, um die Warnfunktion für Verbraucher zu erfüllen.
Für Käufer gilt:
- Gebrauchtwagen mit bekannten Mängeln können auch nach neuem Recht gekauft werden – aber nur mit ausreichender und transparenter Aufklärung entfällt das Rücktrittsrecht.
Fazit und Handlungsempfehlung
Das Urteil betont die hohe Bedeutung des § 476 Abs. 1 BGB für den Verbraucherschutz beim Kauf von gebrauchten Sachen, insbesondere Kraftfahrzeugen. Händler sollten ihre Verträge und Verkaufspraktiken anpassen, um rechtssicher agieren zu können. Käufer wiederum sollten sich nicht auf pauschale Aussagen verlassen, sondern genau prüfen, welche Informationen ihnen vor dem Kauf und im Vertrag gegeben wurden.