Mangel oder Verschleiß – worum ging es?

OLG Celle 7. Zivilsenat, Urteil vom 16.04.2008, 7 U 224/07. Gewerbliche Autohändler haften keinesfalls für sämtliche technischen Defekte, die einem Fahrzeug anhaften können. Ein Sachmangel im rechtliche Sinne liegt dann nicht vor, wenn der Defekt auf alters- und laufleistungsbedingten Verschleiß zurückzuführen ist (siehe BGH-Rechtsprechung). Der Verschleiß (Abnutzung) ist der Masseverlust (Oberflächenabtrag) einer Stoffoberfläche durch schleifende, rollende, schlagende, kratzende, chemische und thermische Beanspruchung. Es liegt auf der Hand, dass bei einem Gebrauchtwagen je nach Kilometerlaufleistung nahezu jedes Bauteil einem Verschleiß unterliegt, weshalb die Feststellung, ob die Ursache eines bestimmten Defekts verschleißbedingt ist oder nicht, immer vom Einzelfall abhängt.

Typische Verschleißteile sind Bauteile, die während der Lebenszeit eines Kfz in bestimmten Intervallen typischerweise ausgetauscht werden müssen, wie etwa Reifen, Bremsen oder Zahnriemen. Sind diese Teile vor den üblichen Intervallen defekt, kann ein vorzeitiger Verschleiß einen Sachmangel darstellen.

Im vorliegenden Fall ging es um die Leckage der Kraftstoffleitung, die bei einem 10 Jahre alten Ford Galaxy (Kaufpreis 3.000 EUR) zu einem Motorbrand geführt hatte. Das OLG Celle geht davon aus, dass hier kein „natürlicher Verschleiß“ vorliegt.

Leitsätze des Gerichts

1. Die Leckage der Kraftstoffzuleitung im Motorraum, die einen Brandschaden verursacht, aufgrund dessen das Fahrzeug unbrauchbar wird, stellt auch bei einem 10 Jahre alten Gebrauchtwagen keinen gewöhnlichen Verschleiß, sondern einen gewährleistungspflichtigen Mangel dar.

2. Der gewährleistungspflichtige Autoverkäufer ist auch zur Entschädigung des Nutzungsausfalls verpflichtet. Dies folgt nicht aus dem Gesichtpunkt des Verzuges, vielmehr handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 281 BGB. Diesem Anspruch steht auch der Rücktritt vom Kaufvertrag nicht entgegen (Anschluss an BGH, Urt. v. 28. 11. 2007 – VIII ZR 16/07 – ZIP 2008,319).

Verschleiss bei Kraftstoffleitung

Zunächst stellt das Gericht fest, dass der Motorbrand als solcher keinen Sachmangel darstellt:

Bei dem streitgegenständlichen Ford Galaxy ist nämlich innerhalb der 6-Monatsfrist nach § 476 BGB, nämlich bereits nach 2 Monaten, ein Mangel aufgetreten. Der Motorraum des Fahrzeugs ist ausgebrannt. Zwar ist der Brand als solcher kein Fahrzeugmangel. Er könnte, wie auch das Landgericht ausführlich und überzeugend dargelegt hat, grundsätzlich durch eine äußere Ursache entstanden sein. Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige indes die Mangelursache dahin eingrenzen können, dass äußere Ursachen ausscheiden, vielmehr aufgrund der Spurenbilder im Motorraum eine Kraftstoffleckage, und zwar am Einspritzventil des 1. Zylinders oder seiner Zuleitung, vorgelegen haben muss (Bl. 182 d. A.).

Anderes gelte indes für die Leckage im Motorraum:

Dieser technische Mangel ist auch in rechtlicher Hinsicht als solcher anzusehen. Eine Leckage im Motorraum, die, wie der vorliegende Fall zeigt, nicht nur zum Benzinverlust führt, sondern auch zur Entstehung eines Brandes, begründet die Annahme eines Sachmangels im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn es handelt sich um ein Fahrzeug, das sich aufgrund der Undichtigkeit der Kraftstoffzuleitung im Motorraum für die gewöhnliche Verwendung, nämlich den Fahrbetrieb, nicht eignet und damit nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Auch der Käufer eines 10 Jahre alten Fahrzeugs darf erwarten, dass das Fahrzeug fahrfähig ist und nicht beim Starten des Motors in Brand gerät und in Folge dessen unbenutzbar wird.

Sodann hält das Gericht fest, dass eine solche Leckage kein „natürlicher Verschleiß ist, sondern ein vorzeitiger, ungewöhnlicher:

Ausnahmen von der strengen Sachmängelgewährleistung werden von der Rechtsprechung über die Definition des Mangelbegriffs allerdings insoweit gemacht, als es sich, so wie hier, um einen gebrauchten Gegenstand handelt, sofern die aufgetretene Störung einem „normalen Verschleiß“ entspricht, wie er bei Sachen entsprechenden Alters und entsprechender Nutzungsdauer erwartet werden kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.

Was ist ein normaler bzw. natürlicher Verschleiß?

Ein „normaler Verschleiß“, den der Käufer erwarten und deshalb hinnehmen muss, liegt insbesondere dann vor, wenn einzelne Bauteile üblicherweise einer stärkeren Abnutzung als das Gesamtfahrzeug unterliegen und in gewissen Zeitabständen einer regelmäßigen Erneuerung bedürfen. Dies trifft etwa auf Zahnriemen, Bremsbeläge und Bremsscheiben, die Fahrzeugreifen, die Batterie und die Auspuffanlage zu. Dies sind typische Verschleißteile, von denen der Käufer eines älteren Gebrauchtwagens nicht erwarten kann, dass sie, wie bei einem Neufahrzeug, zunächst einmal längere Zeit halten, bevor sie erneuert werden müssen. Vielmehr kann ein Defekt als Endpunkt einer Verschleißentwicklung jederzeit eintreten. Eine derartige Beschaffenheit entspricht der Üblichkeit und muss deshalb auch vom Käufer eines solchen Fahrzeugs vorausgesetzt werden. Demgegenüber erwartet der Käufer eines Gebrauchtwagens und darf dies auch erwarten, sofern es sich nicht ausdrücklich um ein sog. Bastlerfahrzeug handelt, dass das Fahrzeug zumindest fahrfähig ist und als solches genutzt werden kann. Dazu gehört es, dass die Kraftstoffzuleitung, insbesondere im Motorraum, wo andernfalls Brandgefahr herrscht, so ausgelegt ist, dass sie das normale Lebensalter eines Fahrzeugs überdauert. Ein aufgrund von Kraftstoffleckagen im Motorraum brandgefährdetes Fahrzeug ist auch bei einem 10 Jahre alten Gebrauchtwagen kein „Normalzustand“ im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Aufgrund der Tatsache, dass nahezu jedes Bauteil eines Fahrzeugs einem Verschleiss unterliege, könne man nicht jeden Verschleiss aus dem Sachmangelbegriff herausnehmen:

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Sachverständige zunächst von Porosität eines Schlauches gesprochen hat, was die Beklagte als Beleg für eine typische Verschleißerscheinung bei einem 10 Jahre alten Fahrzeug wertet. Denn abgesehen davon, dass sich diese Ausführungen auf den zunächst zu Unrecht als Schadensursache angesehenen Unterdruckschlauch bezogen haben, ist es letztendlich so, dass nahezu alle Fehler, wenn sie nicht durch mangelhafte Verarbeitung oder Konstruktion von Anfang an vorliegen, im Laufe eines Fahrzeuglebens durch Abnutzung und Materialermüdung entstehen. Wollte man sie allein deshalb aus der Mangeldefinition herausnehmen, würden die Gewährleistungsansprüche bei Gebrauchtwagen (oder auch anderen gebrauchten Gegenständen) weitestgehend ins Leere laufen. Eine derartige Korrektur der gesetzlichen Vorschrift über die Auslegung des „Erwartungsbegriffs“ des § 434 BGB ginge ersichtlich zu weit. Sie stünde in Widerspruch zum Willen des nationalen und ebenso des europäischen Gesetzgebers, den Verbraucherschutz im Hinblick auf Sachmängel beim Kauf beweglicher Sachen zu stärken (vgl. BGH NJW 2005, 3490, Rn. 29; zit. n. Juris).

Das Gericht bejahte auch eine Pflicht des Verkäufers zur Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung, wobei es sich um einen Schadensersatzanspruch handele:

Die Beklagte ist auch zur Entschädigung des Nutzungsausfalls verpflichtet. Dies folgt nicht aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, vielmehr handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 281 BGB (vgl. Reinking Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 1506 ff, 1518). Diesem steht auch der Rücktritt vom Kaufvertrag nicht entgegen.


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