Der Fall kommt in der Praxis des Autohandels sehr häufig vor: Ein Kunde reklamiert, mitunter sehr hartnäckig, einen (vermeintlichen) Mangel. Nach Vorstellung des PKW im Autohaus ergibt sich jedoch, dass tatsächlich kein Mangel vorliegt.

Im Grundsatz hat der Verkäufer die Kosten der Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 2 BGB zu tragen. Dazu gehören auch die Transport- und Fahrtkosten. Hierfür kann der Käufer sogar einen angemessenen Vorschuss verlangen (§ 475 Abs. 4 BGB).

Was aber geschieht, wenn der Verkäufer bspw. den Motor des PKW umfangreich und aufwendig zerlegt, nur um dann festzustellen, dass garkein Mangel vorliegt? Wer trägt die Kosten hierfür?

In dem vom Landgericht Neubrandenburg entschiedenen Fall hat der Käufer einen Riss der Steuerkette als Mangel gerügt. Nach Hereinnahme des PKW hat das Autohaus, nachdem festgestellt wurde, dass kein Mangel im Rechtssinne vorliegt, den PKW nur noch gegen Begleichung der angefallenen Diagnose- und Zerlegungskosten wieder an den Käufer herausgeben wollen.

Das LG Neubrandenburg stellt zunächst fest, dass kein Werkvertrag vorliegt, folglich das Autohaus kein Werkunternehmerpfandrecht geltend machen kann. Denn Arbeiten, die auf ein Nachbesserungsbegehren folgen, führen nicht zu einem Vertragsverhältnis.

Das Autohaus kann jedoch wegen der vorgeschossenen Transportkosten ein Zurückbehaltungsrecht am Fahrzeug gem. § 273 Abs. 1 BGB geltend machen.

Jedenfalls ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen nach § 439 Abs. 1 BGB stellt nach Ansicht des Gerichts eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung dar, wenn der Käufer er­kannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für die von ihm beanstandete Erscheinung in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt.

Im Ergebnis hat das Gericht einen Schadensersatzanspruch des Autohauses jedoch verneint. Der Käufer muss zwar sorgfältig prüfen, ob die Ursache des Mangels in seiner Sphäre liegt, allerdings nur „im Rahmen seiner Möglichkeiten“. Von einem technischen Laien wird man daher eine zutreffende Diagnose der Defektursache nicht verlangen können. Andernfalls wäre das Nachbesserungsrecht des Käufer durch das Risiko der Kostentragung entwertet.

In Betracht kommen aber Fälle, wo der Käufer vorsätzlich einen von ihm verursachten Mangel dem Verkäufer „unterschieben“ will, bspw. bei Defekten, die auf Fahrfehlern oder mangelnder Wartung beruhen.

Entscheidung des LG Brandenburg

In dem Rechtsstreit … hat das Landgericht Neubrandenburg -1. Zivilkammer – M M H I als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2022 für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Pasewalk vom 25.02.2021, Az. 102 C 327/17, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.200,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Parteien streiten um Mängel- und andere Ansprüche nach einem PKW-Kauf.

Am 11.03.2016 erwarb der Kläger bei dem Beklagten einen Opel Corsa 1,3 CDTi (Fahrgestell­ nummer: V lf lB H M M M M B l) für einen Kaufpreis in Höhe von 4950,00 €. Er schloss bei dieser Gelegenheit eine Garantieversicherung mit einem Erstattungsbetrag von maximal 1250,00 € für das Fahrzeug.

Am 13.01.2017 blieb das Fahrzeug in der Nähe von Prenzlau mit einem Motorschaden liegen. Es wurde auf entsprechende Forderung des Klägers vom Beklagten in dessen Werkstatt zur Repa­ ratur abgeschleppt.

Der Beklagte stellte beim Zerlegen des Antriebsaggregats eine gerissene Steuerkette fest. Der Beklagte bot dem Kläger an, das Fahrzeug für 2644,32 € zu reparieren. Die Garantieversicherung erklärte ihre Einstandspflicht.

Der Kläger machte dagegen Gewährleistungsrechte gegenüüber dem Beklagten geltend. Zwi­ schen den Parteien kam es über eine Kostenbeteiligung für die Reparatur zu keinem Ergebnis.

Im März 2017 wurde das Fahrzeug auf Wunsch des Klägers von dem Beklagten abgemeldet. Es verblieb auf dem Gelände des Beklagten.

Mit Schreiben vom 29.08.2017 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 04.09.2017 auf, das Fahrzeug zu reparieren und fahrbereit an den Kläger herauszugeben. Der Beklagte teilte dem Kläger am 05.09.2017 mit, dass die Herausgabe nur gegen Zahlung von 300,00 € erfolgen würde. In diesem Zusammenhang verwies der Beklagte auf sein Unternehmer­ pfandrecht. Das Fahrzeug wurde bis zum 12.09.2017 nicht von der Beklagten herausgegeben.

Der Anspruch gegenüber der Garantieversicherung war zwischenzeitlich verfallen.

Unter dem 8.12.2017 erhob der Kläger Klage auf Wandelung des Kaufvertrages. Am 27.02.2020 stellte der Beklagte dem Kläger förmlich einen Betrag in Höhe von 300 €/brutto in Rechnung und erklärte, das Auto freizugeben.

Bei einer Besichtigung des Fahrzeugs stellte der Kläger mehrere Schäden am Fahrzeug fest. So war die Frontscheibe gerissen, die hintere Tür der Beifahrerseite wies eine Schramme auf und der Innenraum war verschmutzt.

Der Kläger hat behauptet, ursächlich für den Motorschaden sei nicht das Reißen der Steuerkette gewesen, vielmehr sei der Kipphebel gerissen, wodurch anschließend die Steuerkette gerissen sei. Der Mangel habe schon zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen.

Das Fahrzeug sei gepflegt und ordnungsgemäß gewartet gewesen. Die Schäden am Fahrzeug seien in der Sphäre des Beklagten entstanden.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe kein Recht zur Verweigerung der Heraus­ gabe des Fahrzeugs gehabt. Insbesondere habe ihm kein Werkunternehmerpfandrecht zuge­ standen. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt die Bezahlung eines Betrages verweigert. Er habe sich lediglich geweigert, eine Barzahlung ohne Rechnung vorzunehmen.

Ursprünglich hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 4,009,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.09.2017 Zug-um-Zug gegen die Übereignung des PKW Opel Corsa, Fahrgestell-Nr. zu zahlen und festzustellen, dass sich der Beklagte in Verzug befinde. In der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2020 hat der Kläger diesen Antrag zurückgenommen.

Der Kläger hat hiernach beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 2700,00 € nebst Zin­ sen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zu einer von ihm angekündigten Widerklage hat er in der mündlichen Verhandlung keine Anträge gestellt.

Er hat behauptet, die Steuerkette sei durch Fehlbedienung oder durch das Benutzen von altem oder minderwertigem Öl gerissen, der Riss der Steuerkette habe nicht bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen. Es sei objektiv unmöglich, ein Fahrzeug mit einer defekten Steuerkette zu bewegen.

Im Zuge der Abmeldung habe er den Kläger darauf hingewiesen, dass er für die Unversehrtheit des Fahrzeugs nicht garantieren könne und es nicht über die Betriebshaftpflichtversicherung des Beklagten versichert sei. Er habe erklärt, dass auch unbefugte Dritte an das Fahrzeug auf dem Firmengelände herankommen und er keinerlei Haftung für Schäden an dem Fahrzeug durch Drit­ te übernehme. Er sei nicht der Verursacher der Schäden.

Er habe dem Kläger eine Rechnung (Anlage B5, BI. 40 d.A.) auf dem Postweg übersandt und ihm später aus Kulanz angeboten, nur 300,00 € zu bezahlen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Fälligkeit einer Forderung im Werklohnrecht sei nicht an das Stellen einer Rechnung geknüpft. Entscheidend sei die Fertigstellung des Werkes, die in dem Auseinanderbauen des Fahrzeugs und der Fehlersuche bestanden habe. Ein Werkunter­ nehmerpfandrecht sei damit entstanden. Dem Beklagten habe zum fraglichen Zeitpunkt ein Zu­ rückbehaltungsrecht zugestanden.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Z e u g e n W H M H B M H H B b u nd sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachten des Sachverständigen D ip l.- ln g ^ H ^ H M M M H B l vom 15.05.2019. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2020 sowie auf das Sachverstän­ digengutachten Bezug genommen. Wegen des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Ak­ ten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Amtsgericht Pasewalk hat durch Urteil vom 25.02.2021 den Beklagten verurteilt, an den Klä­ ger einen Betrag in Höhe von 1.200,00 € zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Be­ gründung hat das Amtsgericht äusgeführt, dem Kläger habe kein Anspruch auf Schadensersatz für die behaupteten Schäden an dem Fahrzeug während der Standzeit zugestanden. Er habe nicht beweisen können, dass der Beklagte insoweit eine Pflichtverletzung zu vertreten habe.

Dem Kläger stehe jedoch ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 241 II, 311 II BGB in Höhe von 1200,00 € wegen der entgangenen Garantieversicherung zu. Der Beklagte habe das Fahr­ zeug unberechtigt zurückgehalten. Dieser habe sich auf sein Werkunternehmerpfandrecht nach § 647 BGB nicht berufen können. Der Unternehmer dürfe sich nur auf sein Pfandrecht berufen, wenn dem eine fällige Forderung zugrunde liege und sein Anspruch durchsetzbar sei. Letzteres sei nicht festzustellen. Dem Kläger habe nämlich seinerseits ein Zurückbehaltungsrecht zuge­ standen, da er vom Beklagten trotz entsprechender Aufforderung für die ausgeführten Arbeiten keine Rechnung im Sinne von § 14 UStG erhalten habe. Durch die Nichtherausgabe des Fahr­ zeugs sei dem Kläger ein Schaden in Höhe von 1.200,00 € entstanden, da er die Garantieversi­ cherung nicht habe zum Einstand bringen können.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er im Wesentlichen vorbringt, sein Werkunternehmerpfandrecht habe die Ausstellung einer Rechnung gemäß § 14 UStG nicht zur Voraussetzung.

Er beantragt,

das angegriffene Urteil aufzuheben und die Klage vollständig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtenen Urteil und bittet um Berichtigung dessen Zinsausspruchs.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht Schadensersatz in Höhe von 1.200,00 € gern. §§ 280 I, 241 II, 311 II Nr. 2 BGB wegen der verhinderten Inanspruchnahme der Garantieversicherung nicht zu. Der Beklagte hat die Herausgabe des Fahrzeuges zu Recht verweigert. Ihm stand ein Zurückbehaltungsrecht ge­ mäß § 273 Abs. 1 BGB wegen der nicht erfolgten Bezahlung der Abschleppkosten zu. Der Kläger durfte die Bezahlung dieser Kosten nicht wegen Fehlens einer Rechnung verweigern.

Der Kläger beruft sich darauf, er habe die Garantieversicherung in Höhe von 1.200,00 € nicht in Anspruch nehmen können, da der Beklagte das Fahrzeug auf seine Aufforderung hin nicht her­ ausgegeben habe.

Dieser Vortrag ist bereits nicht nachzu vollziehen. Die Versicherung hatte unstreitig ihren Eintritt erklärt. Die Parteien haben unter Vorlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Garantie­ versicherung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass solche Ansprüche 6 Monate nach Schadenseintritt verjährten. Das Schadensereignis datiert auf den 13.01.2017, so dass dem zu­ folge die Verjährung am 13.07.2017 eingetreten wäre. Der Kläger hatte jedoch nach eigenem Vor­ trag erst mit Schreiben vom 29.08.2017 vom Beklagten verlangt, das Fahrzeug zu reparieren und herauszugeben. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährung der Ansprüche gegenüber der Garantie­ versicherung jedoch bereits eingetreten.

Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an. Der Kläger konnte vom Beklagten zwar dem Grunde nach die Herausgabe seines Fahrzeuges gemäß § 985 BGB verlangen, dem Beklagten stand jedoch gemäß § 273 Abs. 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht aus einer offenen Ersatzforde­rung wegen der unberechtigten Aufforderung des Klägers vom 13.01.2017, das Fahrzeug zur Werkstatt des Beklagten abzuschleppen, zu.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts konnte sich der Beklagte nicht auf ein Werkunter­nehmerpfandrecht an dem Fahrzeug gemäß § 647 BGB stützen. Voraussetzung eines solchen wäre gewesen, dass die Parteien einen Werkvertrag geschlossen hätten. Hierfür haben sie je­ doch nichts vorgetragen. Die Parteien haben am 13.01.2017 und auch nach diesem Datum über­haupt keinen Vertrag geschlossen.

Der Abschluss eines Werkvertrages hätte ein entsprechendes Angebot und dessen Annahme vorausgesetzt. Hier liegt bereits kein Angebot des Klägers auf Abschluss eines Werkvertrages vor. Die Aufforderung des Klägers, den bei Prenzlau liegen gebliebenen Wagen zur Werkstatt des Beklagten abzuschleppen, ist gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen. Der Kläger, der davon ausging, dass an seinem Kraftfahrzeug ein Mangel vorliege, den der Beklagte zu beseitigen habe, wollte – einen objektiven Empfängerhorizont zugrunde gelegt – zum Ausdruck bringen, dass der Beklagte eine Nacherfüllung an dem Kaufgegenstand gemäß §§ 433, 434, 437 I, 439 BGB erbrin­ge.

Macht der Käufer einen Nacherfüllungsanspruch geltend, ist er gemäß § 439 Abs. 5 BGB gehal­ten, den Wagen zur Prüfung des Vorliegens eines Mangels und zu dessen Reparatur zum Erfül­ lungsort der Nacherfüllung, hier der Werkstatt des Beklagten, zu verbringen (vgl. BGH 19.07.2017, VIII ZR 278/16).

Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers muss auch dessen Bereitschaft umfas­ sen, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen am rechten Ort, nämlich dem Erfüllungsort der Nacherfüllung, für eine entsprechende Untersuchung zur Ver­fügung zu stellen. Hierdurch soll es diesem ermöglicht werden, die verkaufte Sache darauf zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht, ob er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt wer­ den kann. Dementsprechend ist der Verkäufer grundsätzlich nicht verpflichtet, sich auf ein Nach­erfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm die Gelegenheit zu einer sol­chen Untersuchung der Kaufsache gegeben hat (vgl. BGH 19.07.2017, VIII ZR 278/16).

Nach § 439 Abs. 2 BGB hat ein Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kos­ ten, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Hierbei handelt es sich um eine Kostentragungsregelung mit Anspruchscharakter, welche die von Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erforderliche Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll (vgl. BGH 30.04.2014, VIII ZR 275/13). Dies begründet in Fällen, in denen – wie hier – eine Nacherfüllung die Verbringung des Fahrzeugs an einen entfernt liegenden Nacher­ füllungsort erfordert und bei dem Käufer deshalb Transportkosten zwecks Überführung des Fahrzeugs an diesen Ort anfallen, aber nicht nur einen Erstattungsanspruch gegen den Verkäufer.

Der Käufer kann nach dem Schutzzweck des Unentgeltlichkeitsgebots vielmehr grundsätzlich schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten beanspruchen (vgl. BGH a.a.O.).

Stellt sich heraus, dass tatsächlich ein Mangel vorliegt, hat der Verkäufer dem Käufer gemäß § 439 Abs. 2 BGB die aufgewendeten Transportkosten zu erstatten oder einen Vorschuss abzu­ rechnen. Der Kläger, der von einem Mangel ausging, wollte somit diesen Weg abkürzen und den Beklagten im Vorgriff eines Schadensersatzanspruchs den Transport unmittelbar auf dessen Kosten vornehmen lassen. Dass der Beklagte dieser Aufforderung nachkam führte in Ermange­ lung eines Angebotes des Klägers somit nicht zu einem Vertragsschluss.

Bei dem Nacherfüllungsverlangen des Klägers handelte es sich jedoch um ein sog. „unberechtig­ tes Nacherfüllungsverlangen“ (vgl. Thelen, Unberechtigtes Nacherfüllungsverlangen im Kaufver­ trag, BRJ 2012, 151). Entgegen der zum Ausdruck gebrachten Vorstellung des Klägers war das Fahrzeug, insbesondere sein Motor, jedoch nicht mangelhaft. Dies ergibt sich aus den Bestellun­ gen des angegriffenen Urteils, das wiederum auf den Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen beruht. Diese Feststellungen greift der Kläger nicht an, sie geben auch an­ sonsten keinen Anlass, an dem Vorliegen eines mangelfreien Kaufgegenstands zu zweifeln.

Steht fest, dass der Kaufgegenstand keinen Mangel aufwies, kann der Verkäufer, hier der Beklag­te, seine Aufwendungen zur Prüfung des Nacherfüllungsverlangens des Käufers nur unter sehr engen Voraussetzungen, nämlich einer schuldhaften pflichtwidrigen Behauptung eines Mangels durch den Käufer ersetzt verlangen.

Jedenfalls ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen nach § 439 Abs. 1 BGB stellt eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung dar, wenn der Käufer er­kannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für die von ihm beanstandete Erscheinung in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt. Für den Käufer liegt es auf der Hand, dass von ihm geforderte Mangelbeseitigungsarbeiten auf Seiten des Verkäufers einen nicht unerheblichen Kostenaufwand verursachen können. Die innerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen der gegneri­ schen Vertragspartei erfordert deshalb, dass der Käufer vor Inanspruchnahme des Verkäufers im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig prüft, ob die in Betracht kommenden Ursachen für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seiner eigenen Sphäre liegen. Eine solche Verpflichtung hat nicht zur Folge, dass Käufer ihr Recht, Mangelbeseitigung zu verlangen, so vor­ sichtig ausüben müssten, dass ihre Mängelrechte dadurch entwertet würden. Der Käufer braucht nicht vorab zu klären und festzustellen, ob die von ihm beanstandete Erscheinung Symptom ei­ nes Sachmangels ist. Er muss lediglich im Rahmen seiner Möglichkeiten sorgfältig überprüfen, ob sie auf eine Ursache zurückzuführen ist, die nicht dem Verantwortungsbereich des Verkäufers zuzuordnen ist. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, darf der Käufer Mängel­ rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverlet­ zung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt her­ ausstellt. Da es bei der den Käufer treffenden Prüfungspflicht um den Ausschluss von Ursachen in seinem eigenen Einflussbereich geht, kommt es auf besondere, die Kaufsache betreffende Fachkenntnisse nicht an, über die unter Umständen nur der Verkäufer verfügt (vgl. BGH 23.01.2008, VIII ZR 246/06).

Für eine solche schuldhafte Pflichtwidrigkeit des Klägers hat der Beklagte nichts vorgetragen, An­ haltspunkte hierfür ergeben sich auch aus der Akte nicht. Die Aufwendungen, die der Verkäufer zur Prüfung, ob die Kaufsache einen Mangel aufweist, tätigt, bleiben somit beim Verkäufer.

Anders verhält es sich mit den Abschleppkosten. Da der Käufer im Falle eines unberechtigten Nacherfüllungsverlangens die Kosten des Transports der Kaufsache zum Ort der Nacherfüllung (hier: Abschleppkosten) gemäß § 439 Abs. 2 BGB selbst zu tragen hat, sind dem Verkäufer, hier dem Beklagten, aus dem Verlangen des Klägers Aufwendungen entstanden, die dieser vom Klä ger aus §§ 812 Abs. 1 BGB (ggfs. auch aus §§ 675 ff BGB) ersetzt verlangen kann (vgl. BGH 19.07.2017, VIII ZR 278/16; vgl. auch LG Saarbrücken, 20.09.2013, 13 S 77/13). In dem Angebot vom 26.03.2017 und auch in der Rechnung vom 27.02.2020 hat er diese Kosten mit 82,50 zzgl. 19% MWSt beziffert. Wegen dieser Kosten – und auch wegen der allerdings in der Rechnung nicht geltend gemachten Standkosten – stand dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB gegenüber dem Herausgabeverlangen des Klägers zu.

Dem Kläger wiederum stand hinsichtlich dieser Forderung, die in dem Betrag der geforderten 300,00 € enthalten war, kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 Abs. 2 UStG zu. Ein solches Zurückbehaltungsrecht setzt voraus, dass der Käufer eine Rechnung nach § 14 UStG überhaupt verlangen kann. Dies ist nicht festzustellen. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 UStG ist der Unternehmer lediglich gegenüber einem anderen Unternehmer zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet, gegenüber einem Verbraucher ist er hierzu lediglich berechtigt. Anderes gilt nur dann, wenn der Unternehmer gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 UStG eine steuerpflichtige Werklie­ferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus­ führt. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch unzweifelhaft nicht vor. Dass der Kläger Unter­nehmer ist hat er in diesem Rechtsstreit nicht vorgetragen.

Unterstellt, der Kläger hätte im Hinblick auf die Abschleppkosten – und Unterstellkosten – einen Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung gemäß § 14 Abs. 2 UStG, würde sich hieraus nichts anderes ergeben.

In diesem Fall kann der Leistungsempfänger das von ihm geschuldete Entgelt grundsätzlich nach § 273 I BGB zurückhalten, bis der Leistende ihm die Rechnung stellt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Ju­ ni 2014, VII ZR 247/13). Eine Rechnung ist gern. § 14 I UstG jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Ge­ schäftsverkehr bezeichnet wird. Das in Anlage B5 vorgelegte Dokument ist keine Rechnung, son­ dern ein Angebot. Die Selbstbezeichnung „Angebot“ hat hier zwar nur Indizwirkung, allerdings kann aus der Gesamterscheinung des Dokuments mit dem Schlusssatz: „Wir würden uns sehr über einen Auftrag freuen. An dieses Angebot fühlen wir uns 30 Tage gebunden“ nicht auf eine Rechnungsstellung geschlossen werden.

Das Zurückbehaltungsrecht des Klägers stünde in diesem Fall dem Zurückbehaltungsrecht des Beklagten wegen seiner Forderung auf Begleichung der Abschleppkosten gegenüber, Die Gel­tendmachung des Zurückbehaltungsrechts beseitigt die Fälligkeit der Gegenforderung nicht (vgl. Münchener Kommentar, BGB, Krüger, Bd. 2 a, 4. Aufl. § 273 Rn. 91). Damit sich die beiden Zurückbehaltungsrechte nicht gegenseitig blockieren, führt die Geltendmachung des Zurückbehal­ tungsrechts, einer vom Schuldner zu erhebenden Einrede, zur Erfüllung Zug-um-Zug (§ 274 BGB) (vgl. BGH 26.09.2013, VII ZR 2/13; Krüger, a.a.O., § 273 Rn. 1).

Der Kläger hätte – hierauf sei abschließend hingewiesen – jederzeit gemäß § 273 Abs. 3 BGB die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Zahlung un­ ter Vorbehalt abwenden können. Seine Rechtsansicht, dass dem Beklagten Zahlungsansprüche nicht oder nur gegen Rechnung zustehen, hätte er sodann gerichtlich entscheiden lassen kön­nen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 I ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711,. 713 ZPO.


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